Was ist Gestalttherapie?


Gestalttherapie ist eine Psychotherapie.

Der Name ist – wie so oft – wenig hilfreich, um zu verstehen, was sich dahinter verbirgt. Andrerseits ist er ein guter Einstieg. Bleiben wir also zunächst bei dem Begriff „Gestalt“. Er stammt aus der Wahrnehmungspsychologie.
Die Wahrnehmungspsychologie des vergangenen Jahrhunderts hat entdeckt, dass es Vorbedingungen für unser Erkennen gibt, an denen wir kaum oder garnicht vorbei kommen. Wir sehen nicht die „Wirklichkeit“, sondern unsere Sinne nehmen Impulse aus dieser Wirklichkeit – zum Beispiel bestimmte Lichtspektren – auf und bilden es im Auge ab. Dieses Abbild wird als elektrische Botschaft vom Sehnerv an das Gehirn weitergeleitet. Erst hier im Gehirn entsteht am Ende unser „Eindruck“ von der Wirklichkeit.
Sie merken – da steckt richtig Philosophie dahinter. Und genaueste Beobachtung.
 
Wenn wir dasselbe immer wieder wahrnehmen, schaltet unser Gehirn in einen Modus um, der weniger Energie braucht: Bekanntes, Gewohntes wird nicht mehr genau betrachtet. „Man weiß ja“ was kommt. Auch wenn ich nur den Tank und den Motorblock sehe, weil der Rest verdeckt ist, weiß ich: Da steht eine 1200er BMW. Weiß ich es wirklich?
– Für das Gehirn ist es so und ich werde in meiner Erinnerung ganz sicher sein, dieses Motorrad gesehen zu haben. Es ist „meine“ Erfahrung, die ich mir von niemandem ausreden lasse. Möglicherweise stand da aber nur der Tank auf dem Motorblock und der „verdeckte Rest“ war abgesägt. Von einem Künstler, warum auch immer.
Was ist nun mit meinem Wissen?
Das Gehirn hat aus dem Bruchstück, das die Wahrnehmung zur Verfügung gestellt hat, ein Ganzes gemacht. Es hat, wie die Gestalttherapeuten sagen, die „Gestalt geschlossen“. Zu einem sinnvollen Ganzen.
 
Wahrnehmung scheint immer nach gleichen Gesetzmäßigkeiten zu verlaufen: Auch unser Gehör erkennt die selbe musikalische Gestalt wieder, selbst, wenn die Melodie in einer anderen Tonart gespielt wird – obwohl dann kein einziger Ton der selbe ist. Ja wir ergänzen sogar automatisch die fehlenden Töne, wenn wir ein vertrautes Stück unvollständig in einer anderen Tonart hören. Unser Gehirn erzeugt das neue Ganze aufgrund der Kriterien, die ihm sinnvoll erscheinen. 
„Gestalten“ sind Ganzheiten. Sie haben einen Sinnzusammenhang, der über die Summe der einzelnen Teile hinausgeht.
 
Es überrascht Sie wahrscheinlich kaum noch, dass auch unser innerer Sinn, unsere Selbstwahrnehmung den Gesetzmäßigkeiten des Erkennens unterworfen ist. 
 
Manche Krisen haben damit zu tun, dass in unserer Wahrnehmung der Wirklichkeit eine Automatisierung erfolgt, die nicht zu unserem Vorteil ist, sondern die uns Energie raubt und uns belastet: Die es uns schwer macht, Ängste los zu lassen, oder Trauer zu durchleben und zu beenden oder Ärger angemessen zum Ausdruck zu bringen oder liebevolle Beziehungen zu kreieren ...
 
Die Gestalttherapie hat ein schier unerschöpfliches Reservoir an Methoden, um solche Automatismen zu entdecken, sie zu bearbeiten und alte, unvollendete Gestalten in eine Form zu bringen, die Lebensfreude und lebenslanges Weiterentwickeln ermöglichen. Denn der Therapeut variiert stets neu seine Hilfen, wie es sich aus dem Kontext der momentanen Situation ergibt. Seine Arbeit wird inspiriert durch das, was hier und jetzt im Gespräch zwischen Klient und Therapeut erspürbar wird.
 
Der Königsweg zu Veränderungen: Emotionen
 
Wie keine andere Therapieform kann die Gestalttherapie die Antriebskräfte des Lebens – die Emotionen – erspüren helfen, ins Bewusstsein bringen und nutzen, um Veränderungsprozesse zu unterstützen. In den Emotionen ist der Sitz der vitalen Kräfte.
Die wenigsten Lebenskrisen können durch nachdenken gelöst werden. Im Gegenteil das ständige Grübeln kann gerade Zeichen für die seelische Erkrankung sein. Andernfalls würden intelligente Menschen nicht in Krisen geraten. Das Gegenteil ist der Fall. Menschen, die darauf vertrauen, alles mit dem Verstand hinzubekommen, kommen eher häufiger in Krisen als andere.
Gestalttherapeuten haben eine Methodik, die hilft, auch die geistigen Ressourcen zu nutzen, die andere Zugänge zur Wirklichkeit ermöglichen als das rationale Denken, wie z.B. Intuition, Impulsivität, Kreativität, Empathie oder Phantasie.
 
Gestalt ist Haltung
 
Im Gestaltansatz steckt auch ein Menschenbild. Es ist geprägt von Wertschätzung für den Menschen in der Krise. Im Mittelpunkt der Therapie steht die respektvolle, zugewandte Beziehung des Therapeuten zu seinem Klienten. Martin Buber nennt die angemessene Haltung zwischen Menschen die „Ich-Du-Beziehung“. Sich nur in seinen Funktionen oder Rollen als Therapeut bzw. Klient gegenüber zu treten, würde die Gefahr beinhalten, den Klienten in eine weniger wertgeschätzte Position zu bringen. Der Therapeut käme in eine unangemessen dominierende Position. 
Deshalb vermeiden es Gestalttherapeuten, sich auf den Sockel des allwissenden Fachmannes stellen zu lassen, sondern sie gehen davon aus, dass der Klient selbst die besten Informationen und das geeignetste Werkzeug hat, seine Lebensprobleme selbst zu lösen. Sie sind erfahrene Scouts auf dem Weg des Klienten, seine eignen Kompetenzen zu entdecken. Das Wirken des Therapeuten unterstützt die Selbstheilung des Klienten und hat nicht den Anspruch, ihn gesund zu zaubern. Gemäß dem zur Bescheidenheit mahnenden Spruch des Hippokrates: Medicus curat, natura sanat, zu deutsch: Der Therapeut sorgt, die Natur heilt.
 
Auf der Ebene der Kommunikation zeigt sich dies im Prinzip des „Dialog auf Augenhöhe“. Es verlangt vom Therapeuten eine Haltung der professionellen Unsicherheit, mit der er seine Beobachtungen und Deutungen als Anfrage, die vom Klienten auch verneint werden darf, zur Verfügung stellt. Der Therapeut kann vom Klienten lernen, wie in diesem seinem speziellen Fall die seelische Not Ausdruck findet und wie sich in diesem einen speziellen Fall, der Heilungsweg entwickelt.
 
Wenn Sie noch mehr über Gestalttherapie verstehen wollen, oder die Gestalt-Haltung zu ihrem Lebensstil machen wollen, können Sie auch die Angebote des Gestaltinstitut-Südwest oder anderer Gestaltinstitute nutzen. Sie bieten alle auch Workshops oder Fortbildungen an.

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